Genforschung in der Medizin

Genforschung in der Medizin: Neue Wege zur Behandlung von Krankheiten

Als im Jahr 2000 die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts bekannt gegeben wurde, begann ein neues Zeitalter für die Forschung und Medizin. Lange Zeit war es nur möglich gewesen die genetischen Ursachen von Erbkrankheiten zu verstehen, die auf Veränderungen in einzelnen Genen zurückgeführt werden können.

Mit den Erkenntnissen des Humanen Genomprojekts sind Wissenschaftler nun in der Lage auch komplexere Krankheiten zu erforschen. Krebs, Bluthochdruck oder Diabetes-Erkrankungen sollen so in Zukunft besser erkannt und therapiert werden können.

Genomvergleiche enthüllen Ursache von altersbedingter Erblindung

Mehr über die Grundlagen von Krankheiten wie Krebs finden Forscher mit Hilfe sogenannter Genomweiter Assozierungsstudien (GWAS) heraus. Dazu wird das Erbgut von Betroffenen und gesunden Menschen miteinander verglichen. Werden gehäuft Veränderungen an bestimmten Stellen im Erbgut der Betroffenen festgestellt, helfen detaillierte Analysen die einzelnen krankheitsauslösenden Gene zu identifizieren. So konnte beispielsweise ein zuvor unbekannter Zusammenhang zwischen einer altersbedingten Form von  Erblindung (altersbedingte Makulardegeneration) bei Menschen über 50 Jahren, und wichtigen Genen des Immunsystems hergestellt werden. Forscher nehmen an, dass bei betroffenen Menschen bestimmte Proteine des Immunsystems unkontrolliert im Auge abgelagert werden und so eine Entzündungsreaktion ausgelöst wird.

Bessere Verträglichkeit von Medikamenten durch Genomstudien

GWAS helfen aber auch genetische Variationen zu finden, die Einfluss auf Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten haben. Ein Beispiel dieses Nutzen zeigt sich am Blutverdünnungsmittel Warfarin. Das Medikament wird z.B. bei Patienten eingesetzt, die ein hohes Risiko haben einen Schlaganfall zu erleiden. Die Dosierung dieses Medikamentes muss ganz genau ausbalanciert werden. Es dürfen nach der Einnahme weder schwere Blutungen auftreten, noch darf die Wirksamkeit zu niedrig sein, so dass Blutgerinnsel dennoch entstehen. Durch GWAS fand man heraus, dass Patienten mit bestimmten Genvarianten das Medikament zu schlecht abbauen und so einer höheren Dosierung ausgesetzt sind. Dank diesem Wissen kann heute die Dosierung von Warfarin individuell auf den Patienten abgestimmt werden.

Personalisierte Medizin

Das Beispiel von Warfarin gehört zu den Möglichkeiten der Pharmakogenomik bzw. der personalisierten Medizin. Zu den Visionen der personalisierten Medizin gehören auch sogenannte Biochips die es ermöglichen, mit der genetischen Untersuchung eines Blutstropfens die optimale Therapie und Dosierung individuell auf den Patienten abzustimmen.

Als eines der ersten Medikamente der personalisierten Medizin gilt eine Therapie gegen Brustkrebs. Das Medikament ist ein Antikörper, der ganz spezifisch Merkmale auf Tumorzellen erkennt, andockt und die Zellen an der Vermehrung hindert. Der Antikörper erkennt aber nicht alle Arten von Brustkrebszellen. Bevor eine Patientin behandelt wird, wird mit DNA-Analyse untersucht, ob die Therapie überhaupt wirken kann.

Das Geschäft mit der Gensequenz

Nach den ersten Erfolgen mit genomweiten Studien schossen Firmen, die Genomanalyse für  Interessierte anbieten, wie Pilze aus dem Boden. Sie untersuchen das Genom ihrer Kunden und bieten an, das Erkrankungsrisiko für verschiedenste Krankheiten, zum Beispiel Brustkrebs, zu bestimmen. Bei der Entstehung von Krankheiten spielen jedoch eine Vielzahl von Faktoren eine wichtige Rolle und es ist auch heute noch kaum möglich, das Risiko für das Ausbrechen einer Krankheit zuverlässig zu berechnen.

Gesellschaftliche und ethische Aspekte

Dennoch ist es so, dass die Genforschung uns immer mehr Einblicke in unser Erbgut ermöglichen wird. Wie werden wir mit diesem Wissen umgehen? Für die Medizin bedeutet es einen grossen Fortschritt, Krankheiten können präventiv und optimal behandelt werden. Doch inwiefern wollen wir überhaupt wissen, welche potentiell krankheitsauslösenden Genvarianten unser Erbgut aufweist? Wer darf die Genomdaten verwenden und wie werden sie vor Missbrauch geschützt? Fortschritte in der Forschung gehen immer einher mit ethischen und moralischen Fragen. Mit dem Dialog zwischen Ethikern, Forschenden und Gesetzgebern müssen gerechte Lösungen gefunden werden, welche die Gesellschaft und Umwelt schützt und den Fortschritt ermöglicht.

Genforschung 2.0

Einen Überblick zu der aktuellen Forschung im Bereich der Genforschung in der Medizin und zu deren Chancen und ethischen Aspekten bietet der Gen Dialog „ Genforschung 2.0“ der in wenigen Wochen erscheinen wird.