Stellungnahme zur Vernehmlassung über die Änderung der KVV und KLV: Kostensenkende Massnahmen, Vergütung im Einzelfall und Massnahmen zur Erhöhung der Rechtssicherheit

Das Thema seltene Krankheiten beschäftigt die Stiftung Gen Suisse schon seit vielen Jahren. Uns ist es ein wichtiges Anliegen, dass die translationale Forschung im Bereich Gesundheitswesen möglichst schnell und unkompliziert dort ankommt, wo sie dringend gebraucht wird – bei Patientinnen und Patienten und insbesondere unseren Kindern. Daher möchten wir Ihnen heute die aus unserer Sicht bedeutendsten Aspekte der anstehenden KVV-Revision mitteilen. Im Folgenden gehen wir auf unsere detaillierte Position zu einzelnen Punkten und Artikeln der E-KVV Art. 71a-d; E-KLV Art. 38b-e ein.

Die Stiftung Gen Suisse lehnt die vorgeschlagenen Änderungen entschieden ab und weist die Revisionsvorlage aus den folgenden Gründen zur Überarbeitung zurück:

  1. Insbesondere PatientInnen mit Seltenen Krankheiten (ca. benötigten 30’000/Jahr), die dringend auf innovative Therapien angewiesen sind, würde der Zugang zu diesen Therapien erschwert werden.
  2. Die bestehenden Probleme bei der Aufnahme von innovativen Medikamenten in die Spezialitätenliste werden nicht gelöst, sondern vielmehr verschärft.
  3. Die geplante Revision führt zur Abwanderung von Spitzenforschern.
  4. Die geplante Revision führt zu einer Missachtung des Patentschutzes.

 

1. Therapeutischer Nutzen [E-KLV Artikel 38b, Absatz 5]

Beim off-label-use, der vorwiegend bei Menschen mit Seltenen Krankheiten und insbesondere in der Kinder-Onkologie zum Zuge kommt, liegen aufgrund der geringen Patientenzahlen oft keine randomisierten Studien vor. Dies ist jedoch eine Forderung dieser KVV-Revision. Würde die Revision wie angedacht umgesetzt, müssten Betroffene off-label-Behandlungen selbst finanzieren. Dies würde zu einer sozialen Ungerechtigkeit führen und wäre für einen Sozialstaat wie die Schweiz ein Rückschlag. Verschlimmernd kommt hinzu, dass der off-label-use Menschen trifft, denen wenig Zeit bleibt und die dringend auf eine innovative Therapie angewiesen sind. Jede zusätzliche Hürde kostet Menschenleben. Das Schweizerische Bundesgericht hat daher bereits am 24. November 2021 entschieden, dass «ohne Betrachtung der Prävalenz einer Erkrankung aufgrund einer geringen Anzahl an Studienteilnehmenden der Nachweis eines (hohen) therapeutischen Nutzens nicht pauschal in Frage gestellt werden dürfte1».

2. Spezialitätenliste und Vergütung im Einzelfall [E-KVV Artikel 71a-d]

Mit der vorgeschlagenen Revision werden die strukturellen Probleme, die sich bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste ergeben, nicht angegangen (Nicht-Einhaltung der gesetzlichen Fristen, Ressourcenmangel bei der Bearbeitung der Gesuche…). Der Bund hat den Auftrag, die Nutzenbewertung und Preisbildung innovativer Therapien zeitnah zu gewährleisten. Mit der geplanten Revision des KVV tritt der Bund diese Verantwortung an die Krankenversicherer ab. Es gilt, die Ursachen für die strukturellen Probleme zu beheben und dadurch den Aufnahmeprozess in die Spezialitätenliste zu beschleunigen. Hierbei sind innovative Ansätze gefragt wie beispielsweise die Schaffung eines Experten-Gremiums (siehe unten).

3. Versorungssicherheit

Die geplanten Änderungen machen den Schweizer Forschungsplatz insbesondere für klinische Forscher weniger attraktiv. Strengere Auflagen, mehr Bürokratie und letztendlich eine schlechtere Versorgung von PatientInnen verhindern neue Innovationen und führen zu Demotivation und Abwanderung von Forschenden ins Ausland.

4. Geistiges Eigentum [E-KVV Art. 65bbis Abs. 6; Art. 65bter Abs. 2; Art. 71a Abs. 1 lit. c]

Die Schweizer Hochschulen sind Vorreiter, wenn es darum geht, Innovationen aus der Forschung in die Industrie zu bringen. Die Zahl der neu gegründeten Start-ups nimmt stetig zu. Ein essenzieller Faktor dabei ist der Schutz des geistigen Eigentums. Nur wenn dieses gewährt ist, sind Forschende und deren Investoren bereit, Innovationen für Patientinnen zu schaffen. Die Streichung des Patentschutzes in der Verordnung ist daher kein gangbarer Weg für Forschende. Kritisch sehen wir insbesondere die im erläuternden Bericht auf Seite 16 aufgeführte Begründung, die dieser Streichung zugrunde liegt: «das Bestehen patentrechtlicher Schutzansprüche ist für das BAG nur sehr schwer überprüfbar». In einem Rechtsstaat wie der Schweiz muss dies gewährleistet werden können. Schaffung eines Experten-Gremiums

Die Stiftung Gen Suisse empfiehlt die Schaffung eines Experten-Gremiums zur Schaffung einer einheitlichen Nutzenbewertung, zur Unterstützung von Ärztinnen- und Ärzten bei komplexen Einzelfallentscheiden, zur Schaffung von Transparenz (elektronische Publikation gefällter Entscheide unter Berücksichtigung des Datenschutzes), und als Schiedsstelle im Einzelfall.


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